Eng verzahnt: Diabetes und Parodontitis
Parodontitis ist eine multifaktorielle, chronische Entzündung des Zahnhalteapparates. Dabei setzen sich mit zunehmendem Zahnbelag Bakterien, sogenannte Plaque, an und verursachen zunächst eine Zahnfleischentzündung. Ohne Behandlung gelangen die Bakterien zum Zahnhals und lösen dort das Zahnfleisch, wodurch sich eine Tasche bildet. Auf diese Weise dringt die Entzündung in die Tiefe bis zum Kieferknochen vor. Die Folge: Der Zahn wird locker und fällt schlimmstenfalls aus. Ab dem 30. Lebensjahr sind Abnutzungen am Zahnhalteapparat erkennbar. Unausgewogene Ernährung und Nikotinkonsum zählen dabei zu den wichtigsten Faktoren, die das Zahnfleisch schädigen können [Dannewitz et al., 2021].
Wissenswert
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Begriffe Parodontitis und Parodontose häufig synonym verwendet. Allerdings handelt es sich bei einer Parodontose um einen nicht entzündlichen Rückgang des Zahnfleisches. Auch dies kann mit gesundheitlichen Folgen verbunden sein, denn die freiliegenden Zahnhälse sind besonders anfällig für Krankheitserreger (z. B. Karies).
Parodontitis interagiert mit systemischen Erkrankungen wie etwa kardiovaskulären Krankheiten. Besonders eng scheint auch die Verbindung mit Diabetes zu sein, denn Menschen mit Diabetes erkranken etwa dreimal so oft an Parodontitis wie Nicht-Diabetiker [Bundeszahnärztekammer, 2024]. Betroffen sind vorwiegend jene, deren Blutzucker nicht gut eingestellt ist. Bei einem hohen Blutzuckerspiegel ist die Speichelproduktion herabgesetzt, sodass mehr Plaque an den Zähnen haften bleibt. Der Zahnschmelz kann nicht vollständig durch Mineralien im Speichel repariert werden und wird bei schlecht eingestelltem Diabetes durch den erhöhten Zuckergehalt im Speichel zusätzlich angegriffen. Auch das Zahnfleisch ist – wie jedes Gewebe bei Diabetesbetroffenen – schlechter mit Blut versorgt. Dies kann zu einer gestörten Immunabwehr führen und chronische Entzündungen begünstigen. Sowohl bei Diabetes Typ 1 als auch Typ 2 verläuft eine Parodontitis meist schwerer und führt häufiger zu Zahnverlust [Kuzmanova et al., 2016; Liccardo et al., 2019].
Parodontitis erhöht Blutzucker
Die chronische Zahnfleischentzündung der Parodontitis verstärkt nicht nur lokale, sondern auch systemische Entzündungsprozesse. Weil die Insulinresistenz der Gewebe erhöht wird, kann der Blutzucker schlechter reguliert werden. Durch die Parodontitis werden bei Betroffenen ohne Diabetes häufig höhere Blutzuckerspiegel gemessen, und bei jenen mit Diabetes ist sie mit einer deutlich schlechteren glykämischen Kontrolle und vermehrt mit Komplikationen wie Nierenerkrankungen und Nervenschäden assoziiert [Kuzmanova et al., 2016].
Parodontitis-Symptome rechtzeitig erkennen
Je länger eine Diabeteserkrankung besteht und je höher der Blutzuckerspiegel ist, desto gravierender ist die Parodontitis. Selbiges gilt vice versa. Oftmals bleibt die Parodontitis aber unentdeckt. Die milden Symptome wie Zahnfleischbluten oder Rötungen werden von Betroffenen häufig nicht richtig eingeordnet. Bei einer Untersuchung zeigte sich, dass viele die Krankheit erst erkennen, wenn es bereits zu erheblichen Gewebeverlusten gekommen ist. Wird die Entzündung jedoch rechtzeitig erkannt, kann sie ohne Folgeschäden ausheilen. Einige Symptome können auf eine beginnende oder bereits vorliegende Parodontitis hindeuten und sollten bei einem Zahnarztbesuch geklärt werden [Costa et al., 2013].
Parodontitis-Symptome:
- Regelmäßiges Zahnfleischbluten, z. B. nach dem Essen oder Zähneputzen
- Lang anhaltende Zahnfleischentzündungen
- Zahnfleischrückgang
- Freiliegende, schmerzempfindliche Zahnhälse
- Lockere Zähne im Erwachsenenalter [Gesundheit.gv.at, 2022]
Vielbeforscht ist der Zusammenhang zwischen Parodontitis-Therapie und HbA1c-Wert. HbA1c ist eine spezielle Form des Blut-Hämoglobins, an das Zuckerteilchen gebunden sind. Dieser Wert gibt an, wie viele Moleküle glykiert, also „verzuckert“ sind. Bei Gesunden liegt er etwa bei 5 %, bei Menschen mit Diabetes bei über 6,5 %. In einer Meta-Analyse von Baeza et al. mit neun Studien aus den Jahren 2005 bis 2017 wurde im Rahmen einer Parodontitis-Behandlung bei Diabetesbetroffenen eine Reduktion des HbA1c-Wertes um rund 0,5 % festgestellt [Baeza et al., 2020]. Eine weitere Studie von Quintero et al. zeigte besonders starke Resonanz bei Erkrankten, deren HbA1c-Wert zunächst bei über 9 % lag [Quintero et al., 2018]. Kocher et al. zufolge wurde auch bei Prädiabetikern der HbA1c-Wert durch eine Parodontitis-Behandlung über einen Zeitraum von 27 Monaten signifikant um 0,3–0,4 % gesenkt [Kocher et al., 2018].
Fazit
Ein gut eingestellter Blutzuckerspiegel steht an erster Stelle, jedoch scheint eine systematische Parodontitis-Behandlung nicht nur die orale Gesundheit von Diabetikerinnen und Diabetikern zu verbessern. Zahn- und Allgemeingesundheit gehen Hand in Hand und sind demnach bei der Prävention, Früherkennung und Behandlung interdisziplinär zu berücksichtigen, um wechselseitige Komplikationen zu vermeiden.
Der Text ist eine gekürzte Fassung des Artikels: Eng verzahnt! aus dieser Ausgabe unseres Magazins ernährung heute:
Literaturverzeichnis
Baeza M et al.: Effect of periodontal treatment in patients with periodontitis and diabetes: systematic review and meta-analysis. J Appl Oral Sci 28:e20190248 (2020).
Bundeszahnärztekammer: Diabetes und Mundgesundheit. https://www.bzaek.de/praevention/diabetes-und-mundgesundheit.html#:~:text=Neben%20Augen%2D%2C%20Nieren%2D%20und,zu%20erkranken%2C%20dreimal%20so%20hoch (Zugriff: 20.11.2024).
Costa FO et al.: Progression of Periodontitis and Tooth Loss Associated with Glycemic Control in Individuals Undergoing Periodontal Maintenance Therapy: A 5-Year Follow-Up Study. J Periodontol 84(5):595-605 (2013).
Dannewitz B, Holtfreter B, Eickholz P: Parodontitis – Therapie einer Volkskrankheit. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 64:931-940 (2021).
Gesundheit.gv.at: Parodontitis (Stand: März 2022). https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/zaehne/zahnkrankheiten/parodontitis.html#wie-wird-die-diagnose-gestellt (Zugriff: 20.11.2024).
Kocher T et al.: Effect of Periodontal Treatment on HbA1c among Patients with Prediabetes. J Dent Res 98(2):171-179 (2019).
Kuzmanova D, Jepsen S, Dommisch H: Parodontitis und Diabetes. wissen kompakt 10: 103–120 (2016).
Liccardo D et al.: Periodontal Disease: A Risk Factor for Diabetes and Cardiovascular Disease. Int J Mol 20: 1414 (2019).
Quintero AJ et al.: Effect of Two Periodontal Treatment Modalities in Patients with Uncontrolled Type 2 Diabetes Mellitus: A Randomized Clinical Trial. J Clin Periodontol 45: 1098–1106 (2018).