Tabuthema: Diabetes und sexuelle Funktionsstörungen
Galten sexuelle Funktionsstörungen früher als rein psychisch bedingt, so ist heute bekannt, dass bei der Mehrheit der Betroffenen eine körperliche Ursache vorliegt. Eine der häufigsten ist ein schlecht eingestellter Blutzucker bei Diabetes. Denn dauerhaft erhöhte Blutzuckerspiegel können Gefäße wie Nerven schädigen und die Durchblutung verschlechtern. Das betrifft nicht nur Augen, Herz und Nieren, sondern auch die Sexualorgane. Je länger der Diabetes besteht, desto größer können die Auswirkungen auf die sexuelle Erregbarkeit von Menschen und deren Lustempfinden sein [diabinfo, 2023].
Symptome bei Männern und Frauen
Neben Orgasmusstörungen und Libidoverlust äußern sich die Symptome bei Männern mit Typ-2 Diabetes oftmals durch eine erektile Dysfunktion oder Ejakulationsstörungen. Bei Frauen begünstigen schlechte Blutzuckerwerte Infektionen mit Bakterien oder Pilzen, was zu Entzündungen der Vagina oder der Harnwege, trockenen Schleimhäuten und mitunter Schmerzen beim Geschlechtsverkehr führen kann [diabinfo, 2023].
Etwa die Hälfte der Männer betroffen
Im deutschsprachigen Raum, so schätzt man, leidet im Schnitt rund die Hälfte der männlichen Diabetiker an einer diabetesbedingten Sexualstörung wie Impotenz. Häufig tritt sie bei Männern im höheren Alter mit langer Erkrankungsdauer und schlechtem Blutzuckermanagement auf. In einer Untersuchung aus England lag der Anteil der Betroffenen mit rund 70 % bei den 40- bis 74-jährigen Männern sogar deutlich höher [ISG, 2024b]. Bei Frauen ist der Einfluss auf die Sexualität bislang weniger erforscht. Dabei tritt bei rund einem Drittel der Diabetikerinnen im Laufe des Lebens eine sexuelle Funktionsstörung auf [diabinfo, 2023]. Aufgrund des nach wie vor bestehenden Tabus, wird jedoch häufig nicht darüber gesprochen. Es wird daher vermutet, dass die Dunkelziffer für beide Geschlechter höher liegt. Unbehandelt können Sexualstörungen den Alltag mit der chronischen Erkrankung zusätzlich belasten [Rutte et al., 2014].
Psyche und Medikamente spielen eine Rolle
Ein wesentlicher Faktor ist die psychische Belastung, die Diabetes mit sich bringt: Sorgen um die Gesundheit, Unsicherheit bei der Einnahme von Medikamenten, Angst vor den Folgeerkrankungen oder eingeschränkte körperliche Belastung. Im Vergleich zu Gesunden leiden Menschen mit Diabetes häufiger an Depressionen, die die Lust an der Liebe zusätzlich rauben. Zum hohen Blutzucker tragen zudem oft Bluthochdruck, schlechte Blutfettwerte, veränderte Hormonspiegel, Übergewicht und Rauchen negativ bei. Auch blutzuckersenkende Medikamente, Mittel gegen Bluthochdruck oder erhöhtes Cholesterin sowie Psychopharmaka können das sexuelle Verlangen, das Empfinden und auch die Erektionsfähigkeit zusätzlich beeinträchtigen [ISG, 2024b].
Darüber sprechen ist wichtig!
Vernachlässigen Diabetesbetroffene ihre Therapie oder setzen ihre Präparate ohne ärztliche Rücksprache ab, können sich die Zuckerwerte rasch verschlechtern und damit auch die Sexualprobleme. Sexualfunktionsstörungen zu tabuisieren und aus Schamgefühl totzuschweigen ist nicht ratsam. Daher empfiehlt es sich, Menschen für dieses Problem zu sensibilisieren und Patientinnen und Patienten in der Therapie gezielt danach zu fragen. Liegt eine Störung vor, sollte gemeinsam mit der Fachperson des Vertrauens entschieden werden, welche Behandlung die richtige ist [diabinfo, 2023].
Sexuelle Funktionsstörungen: Teste dich selbst!
Das deutsche Informationszentrum für Sexualität und Gesundheit (ISG) bietet einen Online-Selbsttest für Männer und Frauen an, der Hinweise auf potenziell vorliegende sexuelle Funktionsstörungen geben kann. Wichtig: Der Fragebogen dient der persönlichen Einschätzung, ersetzt aber keine professionelle Diagnosestellung durch den behandelnden Arzt [ISG, 2024a].
Vielzahl von Therapiemöglichkeiten
Wird offen über vorhandene Symptome gesprochen, können diese häufig erfolgreich therapiert werden. Beim Mann können beispielsweise Erektionsprobleme medikamentös durch sogenannte PDE-5-Hemmer (Phosphodiesterase-Typ-5-Inhibitoren), Schwellkörper-Autoinjektionstherapie, transurethrale Applikation von Harnröhrenstäbchen, Hormontherapien oder Vakuumpumpen behandelt werden [MSD Manual, 2024]. Auch für Frauen sind die Therapiemöglichkeiten vielfältig. Bei Entzündungen und trockenen Schleimhäuten helfen bereits einfache Mittel wie Salben, Gele oder Zäpfchen. Auch hormonelle Ersatztherapien in Form von Cremes bringen häufig Besserung [MSD Manual, 2023].
Im Falle einer psychischen Belastung kann oft auch eine psychotherapeutische Begleitung sinnvoll sein. Aber auch die Schulung zu Hygienemaßnahmen zur Vermeidung von Infektionen im Urogenitalbereich ist eine wichtige Maßnahme, um wieder zu einem befriedigenden und erfolgreichen Sexualleben zu gelangen [diabinfo, 2023].
Fazit
Sexuelle Störungen sind nicht selten eine Folge des Diabetes, werden jedoch oftmals aus Scham verschwiegen. Da es mittlerweile zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten gibt, lohnt es sich, die Beschwerden in einem Termin mit dem behandelnden Ärzteteam anzusprechen. Eine professionelle Betreuung kann helfen, von der geeigneten Therapie zu profitieren und das Liebesleben wieder zu stärken.
Literaturverzeichnis
Diabinfo (Das Diabetesportal): Diabetes und sexuelle Funktionsstörung (Stand: April 2023). https://www.diabinfo.de/leben/folgeerkrankungen/sexuelle-funktionsstoerungen.html (Zugriff: 04.12.2024).
Informationszentrum für Sexualität und Gesundheit (ISG): Sexuelle Störungen erkennen und behandeln. https://www.isg-info.de/wissenswertes/teste-dich-selbst.html (Zugriff: 20.11.2024a).
Informationszentrum für Sexualität und Gesundheit (ISG): Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) und Sexualität. https://www.isg-info.de/wissenswertes/infomaterial/infoblaetter-fuer-maenner/zuckerkrankheit-diabetes-mellitus-und-sexualitaet (Zugriff: 04.12.2024b).
MSD Manual: Überblick über die Sexualfunktion und sexuelle Funktionsstörungen bei Frauen (Stand: Juli 2023). https://www.msdmanuals.com/de/heim/gesundheitsprobleme-von-frauen/sexuelle-funktion-und-funktionsst%C3%B6rung-bei-frauen/%C3%BCberblick-%C3%BCber-die-sexualfunktion-und-sexuelle-funktionsst%C3%B6rungen-bei-frauen. (Zugriff: 04.12.2024)
MSD Manual: Überblick über die Sexualfunktion und sexuelle Funktionsstörungen bei Männern (Stand: September 2024). https://www.msdmanuals.com/de/heim/gesundheitsprobleme-von-m%C3%A4nnern/sexualfunktion-und-sexuelle-funktionsst%C3%B6rungen-bei-m%C3%A4nnern/%C3%BCberblick-%C3%BCber-die-sexualfunktion-und-sexuelle-funktionsst%C3%B6rungen-bei-m%C3%A4nnern (Zugriff: 04.12.2024).
Rutte A et al: Prevalence and correlates of sexual dysfunction in men and women with type 2 diabetes. Journal of sex & marital therapy, 41(6), 680-690 (2015).