Hilft Vitamin C gegen Erkältung?
Viele Menschen versuchen, mit einer verstärkten Aufnahme von Vitamin C (Ascorbinsäure) einer drohenden Erkältung vorzubeugen. Sind erste Symptome wie Schnupfen oder Husten bereits aufgetreten, folgt oftmals der Griff zu entsprechend angereicherten Präparaten wie Brausetabletten. Auch in der Werbung wird mitunter suggeriert, dass Vitamin C ein wirksames Mittel gegen Erkältungen und grippale Infekte sei [Kerschner, 2023].
Wissenswert
Die Idee, Vitamin C gegen Erkältung einzusetzen, machte der US-amerikanische Chemie- und Friedens-Nobelpreisträger Linus Pauling populär. Er war in den 1970er-Jahren davon überzeugt, dass Vitamin C in hohen Dosen gegen diverse Krankheiten schützen würden – darunter HIV, Krebs, Grippe und Schnupfen. Diese Theorien gelten mittlerweile als widerlegt [Cerullo et al., 2020].
Vitamin-C-Effekt bei Erkältung begrenzt
Bisherige Studienergebnisse verweisen die angebliche Wirksamkeit der Ascorbinsäure allerdings ins Reich der Mythen. Die Autorengruppe rund um Cerullo et al. analysierte im Jahr 2020 über 200 Studien, die sich mit dem Thema Infektionskrankheiten und Vitamin C beschäftigten. Sie gingen der Frage nach, wie sich Vitamin C auf die Immunfunktion auswirkt und ob bzw. wie der Nährstoff bei kritischen Krankheiten zum Einsatz kommt [Cerullo et al., 2020]. Die ernüchternden Ergebnisse des Forscherteams decken sich mit jenen älterer Übersichtsarbeiten. Schon 2013 hatte man festgestellt, dass auch bei einer regelmäßigen Aufnahme hoher Vitamin C-Dosen das Auftreten einer Erkältung nicht verhindert werden kann [Hemilä et al., 2013].
Es gibt jedoch einzelne Gruppen, die von einer vorbeugenden Einnahme von Vitamin C (≥ 200 mg/ Tag) profitieren. Dazu zählen ältere Personen sowie chronisch oder schwer kranke Personen. Eine weitere Ausnahme scheinen Extremsportlerinnen und -sportler zu sein. Bei ihnen dürfte die vorbeugende Supplementierung tatsächlich das Risiko vermindern, sich zu erkälten. So sank beispielsweise bei Marathonläufern die Erkältungshäufigkeit um rund die Hälfte, wenn sie zwei bis drei Wochen vor Beginn der körperlichen Extrembelastung mit der Vitamineinnahme begonnen hatten [Hemilä et al., 2013].
Bei Personen, die weniger aktiv sind und vorbeugend Vitamin C supplementieren, zeigt sich diese Wirkung nicht. „Otto-Normalverbraucher“ sind im Falle einer Erkältung zwar mitunter etwas kürzer krank, der Effekt ist allerdings sehr gering. Die durchschnittlich sieben Krankheitstage lassen sich mit einer mehrjährigen Vitamin C- Supplementierung lediglich auf sechs bis sechseinhalb Krankheitstage verkürzen [Hemilä et al., 2013].
Wissenswert
Die Wirkung von Vitaminen wird auch im Hinblick auf den Einsatz bei COVID-Erkrankungen untersucht. Die Resultate dazu sind jedoch heterogen. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2021 zeigte keinen nachweisbaren Einfluss von Vitamin C-Supplementen auf zentrale klinische Ergebnisse bei COVID-19-Patienten. Es braucht jedoch mehr qualitativ hochwertige Untersuchungen [Rawat et al., 2021].
Obst und Gemüse statt teurer Vitaminpillen
Diese Ergebnisse der Untersuchungen stellen in Frage, wie sinnvoll es ist, routinemäßig zu Vitaminpillen zu greifen. Statt hochdosierter Präparate reicht es in der Regel aus, Vitamin C entsprechend einer ausgewogenen Ernährung in seiner klassischen Version – in Form von Obst und Gemüse – aufzunehmen.
Tab.1: Vitamin C-Gehalte in Lebensmitteln
Lebensmittel | Gehalt in mg/100 g |
---|---|
Acerola frisch/als Saft | 1700/1000 |
Hagebutten | 1250 |
Sanddornbeeren frisch/als Saft | 450/266 |
Brennnessel | 300 |
Schwarze Johannisbeere | 177 |
Petersilie | 159 |
Bärlauch | 150 |
Paprika | 120 |
Brokkoli | 115 |
Kohlsprossen | 112 |
Grünkohl | 105 |
Zitrone | 53 |
Orange frisch/als Saft | 50/42-52 |
Kiwi | 46 |
Grapefruit | 44 |
Quelle: Elmadfa et al., 2017
Vitamin C dennoch wichtig
Selbst wenn sich Vitamin C nicht als verlässlicher Schutzschild gegen Erkältungen und grippale Infekte eignet – wir brauchen es trotzdem. Es beeinflusst und optimiert zahlreiche Körperfunktionen, darunter die Wundheilung sowie die Neubildung von Knochen und Knorpel. Außerdem gilt Vitamin C als Antioxidans und schützt den Körper vor sogenannten freien Radikalen [Biesalski et al., 2019]. Für Frauen ab dem Alter von 19 Jahren wird eine Aufnahme von 95 mg Vitamin C pro Tag empfohlen, bei Männern sind es 110 mg [DGE, 2015].
Das kann beispielsweise durch Folgendes bereits erreicht werden:
- eine halbe Paprika oder
- eine kleine Portion Brokkoli oder
- zwei große Kiwis oder
- ein Glas Orangensaft
In industrialisierten Ländern kommen Vitamin-C-Mangelzustände daher kaum noch vor. Der Vitamin-C-Gehalt in Nahrungsmitteln schwankt allerdings je nach Erntezeitpunkt, den Transport- und Lagerbedingungen sowie -dauer. Auch in der Küche kann Vitamin C beispielsweise durch hohe Temperaturen oder aufgrund seiner Wasserlöslichkeit verloren gehen [DGE, 2015].
Wissenswert
Wie Ernährung, Schlaf und Bewegung das Immunsystem beeinflussen können, haben wir mit Univ.-Prof. Dr. Cem Ekmekcioglu (Medizinische Universität Wien), Dr. Brigitte Holzinger (Institut für Bewusstseins- und Traumforschung) und Univ.-Prof. Dr. Jürgen Scharhag (Universität Wien) im Gespräch „Immunstark durch die kalte Jahreszeit“ diskutiert.
Fazit
Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin C ist über eine ausgewogene Ernährung leicht erreichbar. Sofern kein medizinischer Grund vorliegt, ist eine zusätzlich präventive Einnahme über Kapseln laut aktueller Studienlage weder nötig noch sinnvoll. Dennoch zeigt sich, dass ein guter Status im Blut die Dauer eines Infekts möglicherweise um etwa einen Tag verkürzen kann.
Literaturverzeichnis
Biesalski et al.: Taschenatlas Ernährung. 8. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart (2019).
Cerullo G et al: The Long History of Vitamin C: From Prevention of the Common Cold to Potential Aid in the Treatment of COVID-19. Frontiers in immunology 11, 574029 (2020).
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Vitamin C (2015). https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/vitamin-c/ (Zugriff: 19.11.2024).
Elmadfa I et al.: Die große GU Nährwert-Kalorien-Tabelle. 1. Auflage, Gräfe und Unzer Verlag, München (2017).
Hemilä H, Chalker E: Vitamin C for preventing and treating the common cold. Cochrane Database of Systematic Reviews 1: CD000980. (2013).
Kerschner B: Vitamin C bei Erkältungen so gut wie nutzlos (Stand 23.10.2023). https://medizin-transparent.at/vitamin-c-beinahe-nutzlos-gegen-erkaltungen/ (Zugriff: 22.11.2024).
Rawat D et al: Vitamin C and COVID-19 treatment: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Diabetes & metabolic syndrome 15(6), 102324 (2021).